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Wort zum Tag – 15.06.2024


15. Juni 2024

Wie man seinen Feind vernichtet

Es war einmal ein König, der gab seinem Feldherrn den Befehl, seinen ärgsten Feind, den König des Nachbarreiches, zu vernichten. Wie vom König befohlen, zog der Feldherr mit den Soldaten los. Es vergingen Monate. Der König wurde immer ungeduldiger und fragte täglich seinen Berater, ob immer noch keine Nachricht von seinem Feldherrn eingetroffen sei. Schließlich zog er persönlich los um zu erkunden, was geschehen sei.

Als er sich dem Feldlager näherte, hörte er schon von weitem statt Schlachtgetöse fröhliches Treiben. Er ging ins Lager. Dort fand er den Feldherrn und seine Soldaten zusammen mit den Feinden an einem festlich gedeckten Tisch sitzen und ausgelassen feiern. Der König stellte den Feldherrn zur Rede: „Was soll das?“ schrie er, „Du sollst meine Feinde vernichten, stattdessen sitzt du hier zusammen mit ihnen und feierst?“ Ruhig, aber bestimmt entgegnete der Feldherr: „Ich habe den königlichen Befehl sehr wohl ausgeführt. Ich habe die Feinde vernichtet – ich habe sie zu Freunden gemacht!“

Wenn es so einfach wäre, wie in dieser (Autor unbekannt) kleinen, ursprünglich aus China stammenden Geschichte! Einfach den Feind zum Freund machen. Das wäre effektive Feindvernichtung und zugleich eine Zivilisationsleistung allerersten Ranges. Wäre… Wenn diese Praxis unseren westlichen Werten entsprechen würde. Aber Moment mal! Eigentlich kennen wir sie doch. In der Leitkultur des sogenannten Christlichen Abendlandes gibt es ein herausragendes Wort: Feindesliebe. Einer hat sie vorgelebt. Seither haben viele damit freudig Ernst gemacht, haben Feinde zu Freunden gemacht, haben den Frieden gelebt. Der Frieden beginnt im Kopf. Genau so wie der Krieg. Der beginnt mit dem Implantieren von Feindbildern in die Köpfe. Das wird gegenwärtig kontinuierlich praktiziert mit Schreckensbildern vom bösen Feind. Auf verschiedenen Schauplätzen. Wenn der Friede auch im Kopf beginnt, dann malen wir doch lieber seine Bilder von den Feinden als Brüder, als Schwestern, als Menschheitsgeschwister, dann suchen wir doch lieber nach dem Menschlichen im Unmenschlichen. Einer hat gezeigt, dass das tatsächlich funktioniert. Er hat es vorgelebt. Christus der Herr. Als der wahre Feldherr hat er das Feld behalten. „Er ist gekommen zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ (Lukas 19,10) Sein allererster Auftrag: Aus Feinden Freunde machen. Am Sonntag in unseren Kirchen malen wir wieder weiter an seinem Bild des Friedens. Und wir feiern ihn. Feiern Sie gern mit!

Norbert George, Pfarrer im Kirchspiel Muldental