Wort zum Tag – 29.06.2024
29. Juni 2024
Gut + Mensch = schlecht?
Die Deutschen schaffen das: Sie nehmen zwei positive Wörter und machen daraus ein negatives: Gut + Mensch = schlecht. Was für eine Mathematik! Auch ich wurde schon manchmal als Gutmensch bezeichnet, wenn ich scheinbar naiv über Alternativen nachdachte. Was hat mich da so sicher gemacht? Das eine ist der christliche Glaube, so wie es Paulus im Spruch für die neue Woche schreibt: Aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es. (Epheser 2,8) Gott ist das Vorbild für einen Gutmenschen. Seine Gnade und Liebe gilt allen Menschen vorbehaltlos: Jesus Christus ist für uns gestorben, als wir noch Sünder waren. Stellen Sie sich vor, Sie wären vorher gefragt worden. Hätten Sie Gott zu diesem Risiko geraten? Sich selbst hinzugeben für Ablehnende? – Gott tut es. Die Logik seiner Liebe ist ihre Selbstlosigkeit, eine Logik des Gutmenschen. Die Gnade ist Gottes Gabe. Ein Wortspiel sagt es lateinisch so: „Gratia, quia gratis data. – Es ist Gnade, weil umsonst gegeben.“ Dabei betone ich gern, dass die Gnade gewiss gratis ist, aber hoffentlich nicht umsonst. – Neben der christlichen Motivation gibt es bei mir noch einen anderen Grund als Gutmensch zu denken und zu handeln. Das sind meine Erfahrungen der friedlichen Revolution von 1989. Wer hatte denn damals ernsthaft geglaubt, dass wir wenigen Christen in der DDR mit unseren Kerzen und Gebeten eine hochgerüstete Diktatur des Proletariats besiegen können? Auch damals wurde ich als naiv und weltfremd angesehen. Gott sei gedankt, dass wir uns nicht haben beirren lassen. Ebenso bin ich dankbar für alle Gutmenschen, die sich heute bei den Lösungen anstehender Probleme von Gottes Gnade inspirieren lassen.
Pfarrer Michael Tetzner aus dem Kirchspiel Kohrener Land und Wyhratal