Nachrichten

Wort zum Tag – 04.05.2024


4. Mai 2024

Ist Beten etwas für Feiglinge?

Ist Beten etwas für Feiglinge? Für Menschen, die nicht selbst aktiv werden wollen? Ich denke eher, beten ist etwas für Realisten, die wissen: ich habe selbst nicht alles in der Hand und auf alles Einfluss. Das Meinungsforschungsinstitut Emnid hat herausgefunden, dass mehr als die Hälfte der Deutschen betet, entweder gelegentlich oder regelmäßig, Frauen übrigens etwas häufiger als Männer.

Der morgige Sonntag ist in den evangelischen Kirchen dem Gebet gewidmet und trägt den Namen Rogate, vom lateinischen Wort für Bitten. Dabei ist Beten ja eine sehr persönliche, ja intime Angelegenheit. Ich wende mich an Gott, ich möchte mit der göttlichen Kraft in Kontakt kommen. Es gibt viele Formen und Möglichkeiten zu beten. Meist denken wir zuerst an die Bitten und Wünsche, die wir haben und aussprechen. Aber auch Ärger, Wut, Trauer oder Ratlosigkeit können wir loswerden. Manchmal ist es nur ein Seufzer oder die kurze Bitte: Gott, hilf mir!

Ich finde, auch Danke zu sagen, gehört dazu. Da sind wir schnell vergesslich, wenn alles gut läuft. Danke fürs Gesund werden, für die tolle Geburtstagsfeier, das ansteckende Lächeln, für die Frühlingssonne. Wer betet, gesteht sich ein, dass längst nicht alles im Leben selbstverständlich ist. Wir Menschen sind nicht immer erfolgreich und unverwüstlich, sondern haben auch eine verletzliche Seite. Und ich hoffe natürlich, dass mein Gebet gehört wird. Ich weiß zugleich, dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen, es manchmal ganz anders weiter geht, als gedacht und ich mich in Geduld üben muss.

Beten muss auch nicht immer aus Worten bestehen. Manchmal ist es auch einfach eine Zeit, vor Gott zu sein oder nachzusinnen. Jesus jedenfalls hat geraten: „Plappert nicht!“. Schon zu seiner Zeit fiel manchen das Beten schwer und auf die Frage, wie er es denn selbst halte, hat Jesus mit den heute bekannten Worten geantwortet: „Vater unser im Himmel …“. Das „Vater unser“ ist zum weltweit verbindenden Gebet in allen christlichen Kirchen geworden und zugleich kostbar für das persönliche Beten. In diesem Gebet kommt zur Sprache, was Menschen elementar brauchen: tägliche Nahrung, Schutz und Vergebung. Beten kann man immer und überall. Am besten ist: einfach anfangen.

Christoph Steinert, Pfarrer in Brandis