Wort zum Tag – 05.12.2025
5. Dezember 2025
Wie warten Sie?
Stühle stehen an der Wand eng aneinandergereiht, darauf verteilt eine Handvoll Menschen. Über ihnen hängen großformatige Bilder weit entfernter Urlaubslandschaften. Sonne, Strand und Meer, ach ja, der Sommer, eigentlich auch nicht schlecht… Stattdessen draußen graues Dezemberwetter und drinnen ein Adventskranz auf dem kleinen Tisch in der Mitte. Die Person direkt neben mir hustet und schnieft und ich bin genervt: St. Nikolaus steht vor der Tür und es gäbe noch so viel zu tun. Stattdessen sitze ich nun hier und warte, und das schon viel zu lange.
„Herr Schneider, bitte.“ tönt es aus dem Lautsprecher. Ein älterer Mann erhebt sich mit Mühe und Not, dabei fallen ihm seine Dokumente zu Boden. Die junge Frau neben ihm bückt sich flink und hebt sie auf. Zwei freundliche Blicke treffen sich. Am Himmel schieben sich zarte Sonnenstrahlen durch die schwere Wolkendecke.
Nach ein paar Minuten öffnet sich erneut die Tür zum Wartezimmer. „Ach, hallo.“, begrüßt die neue Person die Frau gegenüber. „Was machst du denn hier?“ „Frag lieber nicht!“ Die beiden kommen ins Reden über Gott und die Welt – und die Atmosphäre im Wartezimmer verändert sich. Ich erfahre, dass die eine mit ihrem Mann auch so ihre Herausforderungen hat und das leerstehende Haus nebenan der anderen neulich von einem jungen Paar besichtigt wurde, die Frau war hochschwanger. Wie schön wäre es, wenn in ihrer Nachbarschaft bald schon wieder neues Leben einziehen würde.
Ich blicke in die Runde und merke: auch die anderen hören nun zu. Unsere Blicke treffen sich, als die eine der anderen freudig erzählt, dass sie es trotz aller Mühe in diesem Jahr noch einmal mit dem Stollenbacken versuchen will. Ihr würde sonst in der Vorweihnachtszeit etwas fehlen.
Ich muss lächeln. Vor ein paar Minuten noch saßen wir alle allein mit unseren Gedanken, mit unserer Ungeduld und unseren Schmerzen in diesem Raum. Jetzt nehmen wir einander wahr, blicken uns an und freuen uns. Dabei kommt mir der Wochenspruch aus dem Buch des Propheten Sacharja in den Sinn: Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer (Sacharja 9,9b).
Am Sonntag feiern wir den Zweiten Advent und warten: auf Weihnachten und die Ankunft Gottes auf dieser Welt. Die Frage ist, was machen wir aus den verbleibenden Wochen, hetzen wir durch die Tage oder lassen wir uns durch die Zeit verändern? Wie warten Sie?
Pfarrer Maximilian Sossai aus dem Kirchspiel Geithain-Frohburg-Lunzenau und Jugendpfarrer im Kirchenbezirk Leipziger Land