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Wort zum Tag – 01.11.2024


1. November 2024

Auch das noch …

Da hat man seinen Tag so schön geplant. Alles war einfach und klar. Und dann: „Auch das noch …“ Hatte man sich nicht auf das eingerichtet, was man einschätzen konnte. Und dann das … Kann sich das Leben nicht einfach an unsere Pläne halten? Wieso macht es so oft, was es will?

Was es will … Was bedeutet wohl dieses kleine „Es“ in unseren Sätzen? Wir verwenden „es“ oft: Es regnet, es hat keine Eile, es muss doch werden, es soll …

Grammatikalisch ist „es“ klar. Wir können im Deutschen nur einen Satz bilden, wenn alle Satzglieder an ihrem Platz sind. Auch wenn die deutsche Sprache einige Möglichkeiten bietet: Ohne Subjekt kann man keinen Satz bilden. Und so füllt das kleine „Es“ treu und brav eine grammatikalische Lücke.

Betrachtet man diesen Lückfüller genauer, spürt man: Damit ist’s vielleicht doch nicht getan. Woher der Regen, wenn es regnet? Was will da etwas, wenn es will?

In diesem winzigen Wort – gerade einmal zwei Buchstaben – scheint sich eine Macht einzuschleichen. Eine Kraft, die mehr als nur die Gesetzmäßigkeiten des deutschen Satzes erfüllt. Etwas – oder jemand – kommt als Ursache ins Blickfeld, der oder das sonst nicht sichtbar wäre.

Doch wer oder was ist darin verborgen? Ist es ein blindes Schicksal? Bin ich einer Macht ausgeliefert, die meinen Tag, mein Leben bestimmt, ohne dass ich irgendetwas dagegen tun könnte? Ist Fatalismus angesagt?

Der Theologe Dietrich Bonhoeffer schrieb mitten in den Bombennächten im Herbst 1944 in einem Brief: Es kommt darauf an, im Es das Du zu finden. Wenn es nun keine blinde Macht wäre? Kein allgewaltiges unbekanntes Schicksal, sondern eine Kraft, ein Gegenüber, das mir begegnet? Was wäre, wenn ich in einem solchen Moment, in dem meine Pläne zerbrechen, nicht weiterrenne, sondern mir die Botschaft anhöre, die in dieser Planänderung verborgen ist? Vielleicht begegne ich dann einem Anderen, einem Gegenüber, das mich fragt: „Oh Mensch, wo eilst du hin? Der Himmel ist in dir! Suchst du ihn anderswo? Du fehlst ihn für und für.“ (Angelus Silesius)

Pfarrerin Bettine Reichelt aus dem Kirchspiel Muldental