Raum für Neues und Altes

Alt ist sie, und schon von weitem zu erkennen. Was sie erlebt hat, „das geht auf keine Kuhhaut“. Jeden Tag unterbricht sie uns in unserem Tun und Denken. Sie verschafft sich Gehör, damit wir wenigstens fünf Minuten innehalten und aufblicken.
Sie ahnen, wen ich meine? – Ich rede von der Kirche in Ihrem Ort.
Lange war sie der Mittelpunkt im Dorf oder in der Stadt. Jahrhundertelang trafen sich die Menschen hier am Sonntagmorgen. Im Gottesdienst fanden sie etwas, was ihnen zum Leben half: Trost, Ermutigung und Orientierung; Gemeinschaft und Musik, eine Unterbrechung ihres Alltags.
Heute orientieren sich die meisten Menschen an etwas anderem. Kirchen stehen mit verschlossenen Türen und zugewachsenen Kirchhöfen im Dorf. Auch zum Gottesdienst in der Stadt kommen nur noch wenige. Holzwürmer nehmen sich der Kirchenbänke an. Nur die Glocken erinnern daran, dass da noch etwas ist – jenseits meines Tagewerks, meiner Gedanken, Sorgen und Pläne.

Seit einigen Monaten habe ich die Aufgabe übernommen, die Kirchengebäude in unseren Orten wieder ins Gespräch zu bringen. Ganz besonders dort, wo sie kaum noch genutzt werden.
Was fehlt in Ihrem Ort? Wofür braucht Ihr Dorf einen Raum? Wofür wünschen Sie sich Raum in Ihrem Ort? – Lassen Sie uns darüber ins Gespräch kommen! Denn die Kirchen wurden für die Menschen errichtet, um Begegnung zu ermöglichen, um Menschen zu bilden und zu orientieren, um zusammen zu feiern und zu trauern. – Das alles erscheint mir heute noch ebenso wichtig wie vor 500 Jahren.

Wenn Sie an diesem Sonntag der Einladung der Glocken folgen und einen Gottesdienst besuchen, werden Sie hören, wie Gott Menschen aufrichtet, wie er Verblendeten die Augen öffnet und Niedergeschlagenen auf die Füße hilft. Es sind Geschichten von Heilung und Hoffnung, die an diesem Sonntag gepredigt und besungen werden. Es sind alte Worte, die in unser heutiges Leben hineinsprechen.
Der Prophet Jesaja sagt über Gott: Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. (Jesaja 42,3a)

Pfarrerin Ulrike Franke
Kirchgemeinde an Pleiße und Schnauder, Kirche im Strukturwandel