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Wort zum Tag – 09.03.2024


9. März 2024

Fels in der Brandung

Wir leben nicht am Meer – nicht mehr. Dass im Leipziger Raum das Meer war, ist einige Jahrtausende her. Und doch ist auch in Leipzig und im Leipziger Raum in den letzten Jahren neu bewusst geworden, wie schnell die unbändige Kraft des Wassers die des Menschen übersteigt. Wie gut war es für viele Grimmaer, dass ein Großteil der Stadt am Hang aufwärts liegt. Sie waren schlicht dankbar für diese – plötzlich besondere und gute – Lage. Wenn das Haus auf Fels steht, dann ist das Wasser nicht so schnell eine Bedrohung. Dann kann man ruhig schlafen – mitten in der Brandung.

Manchmal begegnet man Menschen, die werden für einen so ein Fels, der selbst in den Stürmen des Lebens und mitten in der Brandung, die alles zu zermalmen droht, nicht wanken, die eine eigene Position haben, den Mut laut auszusprechen, was andere längst verschweigen. Es tut gut, mit solchen Menschen über die eigenen Probleme zu reden. Sie wissen von den Stürmen und von der Brandung. Sie wissen von den Gefahren. Sie blenden sie nicht aus. Und doch tragen sie in sich das Vertrauen, dass da mehr ist, anderes, Neues. Es gibt eine Zeit nach dem Sturm und es wird vielleicht auch wieder eine Zeit geben, in der die Brandung sanft und freundlich wird, das Meer friedlich, weit, ein Spiegel des blauen unermesslichen Himmels, der alles umschließt.

Dieses Vertrauen hat wandelnde Kraft. Es gibt den Mut nicht in das Horn der Mächtigen zu blasen, nicht nach Rache oder Vergeltung oder neuen Waffen zu rufen. Nicht Hass und Gegenwehr steht im Zentrum, sondern ein Blick in eine Welt, in der es anders sein kann. Eine Welt in der Gerechtigkeit wohnt, Frieden möglich wird, Freundlichkeit und Barmherzigkeit nicht die lächerliche Fratze der scheinbar Schwachen ist, sondern im Angesicht jedes Menschen zu erkennen ist.

In den letzten Wochen habe ich mich mit meinen Schülern wieder einmal mit Johan Galtung beschäftigt, ein Friedensforscher, der das andere Denken, einen positiven Frieden für möglich hält. Er ist für mich so ein Mensch.

Positiver Frieden ist eine Utopie. Aber brauchen wir nicht gerade solche Bilder und Menschen? Menschen, die nicht neue Feindbilder aufbauen, sondern dazu ermutigen, im anderen den Menschen zu sehen, seine Schwächen und seine Stärken. Und die darin die Chance sehen, Brücken über tosende Flüsse des Streits zu bauen. Und die das auch wirklich wollen. Sie wissen: Nur der Wille zum Frieden auch wirklich Frieden schaffen.

Solche Menschen wünsche ich mir um mich. Und ich lege diese Bitte und Hoffnung in den Psalm des nächsten Sonntags (Ps 31,b): Estomihi. Sei mir ein starker Fels, [Gott] und eine Burg, dass du mir hilfst.

Schulpfarrerin Bettine Reichelt aus dem Kirchspiel Muldental