Wort zum Tag – 14.11.2025
14. November 2025
Schwerter zu Pflugscharen
Bei einem Jugendgottesdienst, den ich 1980 als damals 15 – Jähriger besuchte, wurde das Gedicht Sag Nein von Wolfang Borchert vorgetragen. Borchert war Soldat im 2. Weltkrieg und aufgrund seiner Erfahrungen zum radikalen Pazifisten geworden. Mich hat dieses Gedicht so beeindruckt, dass ich es später mit meiner Band vertont habe: Du Mann an deiner Maschine, wenn sie morgen zu dir kommen und sagen, du solls statt Kochtöpfen und Spaten Kanonenkugeln und Handgranaten herstellen, dann gibt es nur eins, sag Nein!….. Denn wenn ihr nicht Nein sagt, wird es geschehen ….. und der letzte Mensch wird durch die zerstörten Städte schweifen und fragen: Warum? Wir haben dieses Stück damals in vielen Kirchen aufgeführt. Außerhalb von Kirchenmauern durften wir es nicht spielen. Für mich erschien es darum auch konsequent, den Armeedienst mit der Waffe abzulehnen und zu den Bausoldaten zu gehen. „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“ – so steht es im biblischen Buch des Propheten Micha. Damals war das eine Vision, aber gleichzeitig auch eine konkrete Zielsetzung: nicht Krieg, sondern Frieden lernen. Über gewaltfreien Widerstand haben wir damals viel nachgedacht. Das alles scheint heute Welten entfernt. Eine „Zeitenwende“ hat stattgefunden. Wir schmieden Pflugscharen zu Schwertern und lernen wieder Krieg. Vom „Frieden lernen“ spricht heute kaum noch jemand. Davon, wie herauszukommen ist aus dieser Spirale von Drohung und Gewalt.
Gerade deshalb ist es mir so wichtig, diese Verheißung aus der Bibel, diesen „Traum vom Frieden“ wachzuhalten. Was das heißen kann – Frieden lernen – sehe ich bei Jesus. Er hat sich geweigert, den anderen nur noch durch den Filter der Feindschaft zu sehen. „Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“, hat er provokativ gesagt. Auch der Feind bleibt ein Mensch. Und als solcher darf ich ihn nicht aufgeben. Bei Jesus kann ich es lernen, der darauf gedrungen hat, die Spirale von Gewalt und Gegengewalt nicht mitzumachen: „Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin“, sagt er wieder provokativ überzogen. Alles Sätze, die naiv klingen. Aber wenn man sie in die Gegenwart übersetzt, wirken sie sehr realistisch: Den Anderen, den Feind, immer noch als Menschen sehen, das schützt gegen die Verrohung, die jeder Krieg schafft und wohl auch braucht … Nicht gleich zurückschlagen; manchmal kann man die Gewalt auch ins Leere laufen lassen. Und immer wieder fragen: Wie können wir uns irgendwann mal wieder in die Augen sehen, ich und der Andere; wie könnte so etwas wie Versöhnung aussehen? Alles Mosaiksteine eines anderen Denkens, das schwach und naiv scheinen mag – und doch weiterführt. Solange Michas „Traum vom Frieden“ wach bleibt, gibt es noch Hoffnung.
Henning Olschowsky, Pfarrer und Musiker im Kirchspiel Muldental / Projektstelle für Walkaway – und Visionssuchearbeit
www. Walkaway-visionssuche.weebly.com / Instagram: black_holes_band