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Wort zum Tag – 23.05.2025


23. Mai 2025

Ich habe keinen Menschen

Dieser Satz stammt aus einer biblischen Heilungs-Geschichte im Johannes-Evangelium. Ein kranker Mensch liegt seit 38 Jahren am Teich von Betesda und wartet vergeblich darauf, dass ihn jemand ins heilende Wasser trägt. Doch obwohl viele andere mit diesem Menschen am See lagern, hilft ihm niemand. Alle haben mit sich zu tun.

Einsamkeit betrifft viele. Nicht nur alte, alleinlebende Menschen, sondern auch junge Erwachsene, pflegende Angehörige, Alleinerziehende, sogar Menschen in Beziehungen. Inmitten einer scheinbar vernetzten Welt erleben immer mehr Menschen das Gefühl, übersehen zu werden, nicht dazuzugehören, keine Rolle zu spielen. Es ist ein Schmerz, der sich selten laut zeigt, aber tief sitzt.

Viele Betroffene schämen sich dafür, einsam zu sein. Denn Einsamkeit wird noch viel zu oft als individuelles Versagen gesehen, obwohl viele Faktoren dazu führen dazu können: chronische Erkrankungen, Ausgrenzungen aufgrund von sexueller und geschlechtlicher Identität, Behinderung oder Herkunft, Sprachbarrieren, alleinige Erziehungsverantwortung, Pflege von Angehörigen, Armut und vieles mehr.

Was können wir, als Gesellschaft, gegen die Einsamkeit in uns und um uns herum tun? In einer Zeit, in der Leistung, Selbstoptimierung und Unabhängigkeit hoch im Kurs stehen, brauchen wir neue Bilder von Nähe, von Beziehung, von Gemeinschaft.

Kirchliche Räume können Orte sein, an denen Menschen mit ihren Erfahrungen vorkommen dürfen – auch mit ihrer Einsamkeit. Im Zuhören, in der Fürbitte, im einfachen Dasein füreinander zeigt sich Gottes Nähe: heilsam, nicht aufdringlich. Die Geschichte vom Teich Betesda endet nicht in der Einsamkeit. Jesus sieht den Menschen und tritt zu ihm in Beziehung, ermöglicht Heilung. Er tut den ersten Schritt und unterbricht die Einsamkeit mit einer Frage: „Willst du gesund werden?“ Manchmal braucht es nicht viel – nur eine Frage. Und den Mut, sich jemandem zuzuwenden.

Der Beitrag bezieht sich auf das Material zum Frauengottesdienst Rogate 2025, erschienen bei der Frauenarbeit der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Mehr unter: www.frauenarbeit-sachsen.de/material

Luise Müller, Referentin für religiöse Bildung

Frauenarbeit der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens