 
                                    Wort zum Tag – 24.10.2025
                                            24. Oktober 2025
                                        
                                        Was gut tut.
Ich besuche eine schwerkranke Frau, der das Sprechen und auch das Finden der rechten Worte schwer fällt. Doch plötzlich bricht es aus ihr heraus und sie erzählt von der schwierigen Familiengeschichte und der schweren Arbeit auf dem Bauernhof. Wie wir uns unterhalten, steht unvermittelt und ohne anzuklopfen der behandelnde Arzt im Zimmer. Er stellt sich an den Fußgiebel des Bettes und beginnt zu sprechen. Der großgewachsene, junge Mann nimmt zwar den Seelsorger als anwesende Person zur Kenntnis, ist aber so sehr in seinen Gedanken, dass er ohne jede Hemmung über die medizinische Situation und die weitere Behandlung der Patientin referiert. Als der Arzt seine Mission erfüllt hat, verlässt er die Bühne, ohne sich zu verabschieden. Während des überwiegenden Monologs ist schnell erkennbar, dass die Patientin nur teilweise das Anliegen des Arztes nachvollziehen kann. So erklärt der Seelsorger die anstehenden Untersuchungen und erläutert der kranken Frau die beabsichtigten Behandlungsbedarfe.
Als die Frau und der Seelsorger beginnen, die Begegnung abzurunden, öffnet sich abermals die Tür und die Physiotherapeutin betritt die Szene. Sie nimmt Kontakt mit der Patientin und dem Seelsorger auf und überlegt, was zu tun sein. In dieser wagen Situation springt ihr der Seelsorger zur Seite, um sie zu ermutigen, die Patientin im medizinischen Sinne des Arztes zu mobilisieren.
In dem Geschehen tut der Patientin offensichtlich die Ansprache durch den Seelsorger gut.
Der Arzt ist seinerseits überzeugt, das Richtige und Notwendige zu veranlassen.
Der Seelsorger vermittelt zwischen Arzt und Patientin sowie zwischen Arzt und Physiotherapeutin. Durch diese Dynamik ist die Patientin nicht mehr nur Behandlungsobjekt. Es wird nicht mehr über sie, sondern mit ihr gesprochen.
Die Patientin fühlt sich als Mensch mit ihrer Geschichte wahrgenommen.
Holger Herrmann
Klinikseelsorger in den Diakonie Kliniken Zschadraß und den Sana Kliniken Wurzen und Grimma
 
                                                    