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Wort zum Tag – 27.06.2025


27. Juni 2025

Am Brunnen vor dem Tore

…da steht ein Lindenbaum. Etliche unter Ihnen kennen das alte Volkslied noch. Es spricht von Sehnsucht, Erinnerung und Trost. Der Lindenbaum vor dem Stadttor ist dem Wanderer ein vertrauter Ort der Ruhe und der inneren Einkehr. Seit Jahrhunderten gilt er als Ort der Geborgenheit und der Gerechtigkeit, denn in früheren Jahrhunderten hielt man Gericht unter den großen Bäumen.

Die Linde wurde 2025 zur Heilpflanze des Jahres ernannt. Damit ehrt man den Baum nicht nur als Lebens- und Schattenspender, sondern verweist auch darauf, dass der Baum Heilung bringt. Arzneilich interessant sind die getrockneten Blüten. Sie enthalten Flavonoide, Schleimstoffe, Gerbstoffe und ätherisches Öl. Ein Lindenblütentee kommt vor allem bei innerer Unruhe und Erkältungskrankheiten zum Einsatz, denn er wirkt beruhigend, entzündungshemmend, krampf- und schleimlösend.

In einer Zeit, in der viele Herzen unruhig sind und die Welt oft laut ist, lädt uns die Linde gerade in den heißen Sommertagen sinnbildlich ein, unter ihrem Schatten Rast zu machen.  Zugleich ist „Der Brunnen vor dem Tore“ mehr als ein nostalgischer Ort. Es ist ein Bild für die Nähe Gottes. Jesus, so erzählt es das Johannesevangelium, trifft dort eine Frau beim Wasserholen. Sie kommt allein. Offenbar findet sich keine andere, die mit ihr zusammenarbeiten will. Auf ihrer Suche nach Glück und Heil ist sie in den Armen mehrerer Männer gelandet, ohne das zu finden, wonach sie sich tief im Herzen sehnte. Jesus erkennt ihren Mangel und knüpft neu die gestörte Beziehung der Frau zu Gott. Am Brunnen erzählt er ihr vom lebendigen Wasser, das auch der Beziehung zu Gott quillt. Jesus spricht bildhaft und zugleich ermutigend und tröstend, die Quelle dieser Beziehung neu zu entdecken.

Wo begegnen Sie Gott? Wo erleben Sie Heilung und echte Lebendigkeit?

Die Sommertage laden nicht nur zu Grillwürstchen und Urlaubsspaß ein, sondern auch, um die inneren Batterien wieder aufzuladen. Ein sommerlicher Abendspaziergang, ein Verweilen unter Linden, ein Gebet im Grünen können der Seele wieder neue Nahrung geben.

Dorothea Schanz aus Großbothen, Pfarrerin im Kirchspiel Muldental