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Wort zum Tag – 27.09.2024


27. September 2024

Alles gut!?

Inzwischen ist es bei uns zum Witz geworden: „Aaaaalles gut!“ Je länger man das A am Wortanfang betont und in die Länge zieht, umso deutlicher soll gesagt werden, dass aber auch wirklich alles gut ist. „Aaaaalles“ als Steigerung von „alles“.

Eine Steigerung von „alles“ ist nicht möglich, grammatikalisch und inhaltlich nicht. Alles bezeichnet eine Gesamtheit. Mehr geht nicht.

Dass wirklich alles gut ist im Leben, ist selten. Auf der Welt trifft das vermutlich so gut wie nie zu. Und im persönlichen Leben? Da ist es ein großes Geschenk, wenn für einen Moment das Gefühl einzieht, dass gerade wirklich alles gut ist.

Ein kostbarer Augenblick. Ein wertvolles Glück.

Aber schon ist der Alltag wieder da und „Alles gut!“ klingelt einem in den Ohren, sei es im Supermarkt oder am Arbeitsplatz, am Telefon oder beim Frisör. Wenn man einmal darauf achtet, fällt es einem immer wieder auf, wie oft das gesagt wird.

Und dann kommt ja noch der Tonfall dazu. Meist sagen die Leute (oder man selbst) „alles gut“ in einem Tonfall, der vor allem beschwichtigen und besänftigen soll. Der deutlich signalisiert „Bitte keinen Stress!“ und „Bitte kein Problem!“. – Und überhaupt: Für wen ist alles gut? Für die Rednerin? Für das Gegenüber? Für die Welt?

Alles gut? Meine Vermutung: Hier ist der Wunsch größer als die Wirklichkeit.

Deshalb: Wie wäre es alternativ mal mit „Ist kein Problem.“ oder „Geht schon in Ordnung.“ Oder noch mutiger „Es stört mich zwar, aber ich komm damit klar.“

Wenn wir uns bemühen, möglichst genau zu formulieren und wirklich zu sagen, was wir denken und empfinden, dann hat es einen großen Vorteil: Wir können uns einander beim Wort nehmen. Als Ideal vielleicht kein schlechtes Ziel, oder? Und dann ist vielleicht nicht alles, aber immerhin das Miteinander zwischen uns gut.

Für einen Experimentier-Tag ohne Floskeln wirbt

Lydia Messerschmidt – Pfarrerin aus der Kirchgemeinde Machern-Püchau-Bennewitz